Crew: Lennart Beck

Freitag, den 30.08.2013 Berlin => Schiffshebewerk

Nach letzten Vorbereitungen ging es endlich um 09:30 los. Die Fahrt zur Spandauer Schleuse verging schnell und endete erst einmal an der Sportboothaltestelle, weil die Ampel Rot zeigte. Und hierbei blieb es vorerst, so dass noch Zeit für kleine Reparaturen war. Dann gingen die Schleusentore auf und die Aufregung stieg. Wie wird das Schleusen einhand klappen?
Dank der gezeigten Technik war der Schleusenvorgang jedoch unproblematisch. Es kam sogar zu einem kurzen Kennenlernen von Julia und Paul, die mit ihrem Boot auf dem Weg nach Rügen waren. Um 11:15 gingen die Schleusentore wieder auf und die „große“ Fahrt ging jetzt richtig los.

Der Blick vom Boot auf die Stadt war wieder einmal grandios. Die dem Tegeler See vorgelagerten Inseln ergaben ein neues Bild für mich. Obwohl mir Tegelort bis Heiligensee von Land aus seit Kindheitstagen vertraut ist, ist der Blick vom Wasser aus neu und spannend. Auch der Weg über die Havel war toll. Nicht gekannte Industrie und Industrieruinen säumen den Weg - dann wieder ein „grüner Schlauch“, in dem sich schon langsam die Blätter verfärbten und bei schwachen Böen auf das Wasser schwebten.

Um 13:50 kam ich an die Schleuse Lehnitz. Das Schleusen war durch die hereinströmenden Wassermassen kniffliger. Zum Glück lag ich ziemlich weit hinten in der Schleusenkammer und konnte durch ordentliches Dichthalten das Boot stabilisieren. Danach ging es über den Oder-Havel-Kanal bei anhaltendem Sonnenschein weiter voran, bis ich gegen 19:00 am Schiffshebewerk Nierderfinow ankam. Nach der Talfahrt endete der erste Tag nach Absprache mit dem Schleusenwärter an der Sportboothaltestelle im Unterhafen. Insgesamt waren die Schleusen bis auf Spandau leer und es herrschte wenig Verkehr. Für das erste Mal also beste Bedingungen.

Samstag, den 31.08.2013 Schiffshebewerk => Stettin

Am nächsten Morgen ging es früh gegen 07:30 wieder los. Die Strecke über den idyllischen Oderberger See weiter das letzte Stück Oder-Havel-Kanal bis zur Schleuse Hohensaaten legte ich wieder mit Marschfahrt von rd. 5 kn zurück. Ohne Wartezeit nahm ich die Schleuse Hohensaaten. Aus Gründen der Vorsicht bin ich dann die Hohensaaten-Friedrichthaler-Wasserstraße gefahren und habe unseren Fahrtenobmann Robert unterwegs getroffen. Als ich später am Zollhaus Mescherin vorbei fuhr, erinnerte ich mich an wunderschöne Tage im Sommer 2012 mit der Familie. Damals träumte ich bereits von dem Tag, an dem ich auf meinem Boot Richtung Ostsee hier vorbeikomme. Dass dies schon im Jahr 2013 passiert, habe ich nicht zu hoffen gewagt.

Nach den vielen Kilometern purem Naturerlebnis bot Stettin eine krasse Abwechslung. Entlang der West-Oder unter niedrigen Brücken hindurch konnte ich den Blick auf die Stadt genießen und war froh über den wenigen Schiffsverkehr, insbesondere später als ich die ersten Seeschiffe sah. Sie waren im Vergleich zu meiner Mira gigantisch groß und es stellte sich ein Glücksgefühl ein, weil die Ostsee nun nahe schien. Um 18:05 kam ich in der Marina Goclaw an, wo ich Julia & Paul, die ich in der Spandauer Schleuse kennenlernte, wieder traf. Sie haben mich überholt, weil sie die Ost-Oder heruntergefahren sind. Bis in die Dunkelheit hinein habe ich den Mast gestellt und schlief erleichtert und glücklich früh ein. Schließlich habe ich die Schleusen dank der von Thomas R. und Lothar beigebrachten Technik schadlos hinter mich gebracht. Und darüber hinaus noch alleine den Mast gestellt.

Sonntag, den 01.09.2013 Stettin => Ziegenort

Nachdem Mira endlich seeklar war, ging´s zusammen mit Julia & Paul weiter Richtung Ostsee. Erst motorten wir, weil der Wind noch schwach war. Es kam zu meinen ersten Begegnungen mit Frachtschiffen, die schnell um die Ecke kommen und eine beeindruckende Bugwelle vor sich herschieben. Mira vermittelte mir jedoch ein sicheres Gefühl, da sie sehr stabil durch die Wellen fuhr. Daraufhin ein kurzer Gruß an Peter Erlemann, der zufällig segelnd entgegen kommt.

Als der Wind auffrischt ziehe ich das erste Mal die Segel hoch. Ein tolles Gefühl – es läuft gut. Der Wind frischt weiter auf und als wir das Stettiner Haff erreichen, begrüßt uns eine – für meinen Geschmack - relativ hohe Welle aus der Richtung, in die wir wollen. Erstmals erfahre ich, dass meine Mira trotz ruppiger See stabil durch Wind und Welle kreuzt. Julia & Paul hingegen kämpfen ganz schön mit ihrem kleineren Segelboot. Gemeinsam entscheiden wir uns umzudrehen und laufen Ziegenort an. Später lese ich bei Windfinder, dass auf dem Stettiner Haff 5 - 6 Bft. wehen.

Montag, den 02.09.2013 Hafentag in Ziegenort

Am nächsten Morgen hängt der Wetterbericht in Polnisch am Hafenbüro. Der Google – Übersetzer hilft und bietet mir Sturmwarnung als Übersetzung an. Ich entscheide mich, einen Hafentag einzulegen. Julia & Paul wollen es nach Ueckermünde probieren, kommen aber nach kurzer Zeit zurück. Später fängt es tatsächlich an, kräftig zu stürmen.

Dienstag, den 03.09.2013 Ziegenort => Ueckermünde

Der nächste Tag begrüßt mich mit einem strahlenden Sonnenaufgang. Kaum Wolken am Himmel und ein leichter Wind aus NW. Swinemünde, mein eigentliches Wunschziel, steuere ich nun doch nicht an, weil Windstärke und Windrichtung am nächsten Tag ungefähr gleich sein sollen. Sassnitz als nächstes Etappenziel erscheint dadurch unrealistisch. Also legte ich ab mit dem Ziel, das Stettiner Haff zu durchfahren und möglichst noch über den Peenestrom nach Lassan zu kommen. Ich kreuzte also mit wenig Wind und erreichte nach rd. 6 Stunden gegen 13:30 Uhr die deutsche Grenze.

Weil der Wind zwischenzeitlich noch weniger wurde und ich noch einige Seemeilen vor mir hatte, entschließe ich mich, weiter zu motoren. Doch nach kurzer Zeit wurde die Geschwindigkeit geringer bis der Motor schließlich ganz ausging und darüber hinaus nicht wieder startete. Was nun? Vollgetankt war! Um nicht manövrierunfähig zu sein, zog ich also die Segel wieder hoch und dümpelte mit rd. 1 – 2 kn dahin. Nach mehreren Telefonaten habe ich mir Hilfe in Ueckermünde organisiert. Der Plan bestand darin zur Hafeneinfahrt zu segeln, von wo Wolfram – Betreiber des Haff-Bootscharters - mich dann in den Hafen der Lagunenstadt schleppen wollte. Gesagt getan. Nach weiteren 3-4 Stunden segeln mit teilweise weniger als Schrittgeschwindigkeit wurde ich wunderbarerweise von Wolfram in den Hafen geschleppt, wo auch gleich helfende Hände mir die Leinen abnahmen. Puuh! Wolfram schlug sodann vor, sich die Maschine mal anzuschauen und schaffte es tatsächlich mit einem Starthilfe – Spray sie auch zu starten. Überrascht und erleichtert ließen wir – ohne weitere Fehleranalyse - den Abend bei Bier und Bratwurst ausklingen - konnte es doch morgen wieder losgehen.

Mittwoch, den 04.09.2013 Ueckermünde => Kröslin

Morgens geht´s weiter. Als ich gerade die Hafenausfahrt passiert habe, geht der Motor schon wieder aus. Also Segel hoch und Wolfram angerufen, der glücklicherweise die Nacht über vor Ueckermünde geankert hat. Auf dem Wasser beginnt er eine Fehlersuche und stellt fest, dass der Kraftstoffschlauch vom Tank zum Vorfilter verstopft ist. Mithilfe einer Fahrradpumpe pustet er ihn wieder frei. Ich bin begeistert. Jetzt läuft der Motor wieder und ich mache mich schnell auf den Weg, um die Brückenöffnung in Zecherin um 11:45 noch zu schaffen, was dann auch noch klappt.

Hinter Zecherin motore ich dann aufgrund fehlenden Windes weiter. Höhe Lassan ziehe ich die Segel hoch. Wenig bis nichts passiert. Das Boot bleibt quasi stehen und ich kann erst mal Mittagspause machen. Rund 40 Minuten später und eine Seemeile weiter, springt der Motor zum Glück an und es geht weiter nach Wolgast. Hier habe ich noch eine Stunde Zeit, die ich damit verbringe, mit einem Bollerwagen vom Schiffsausrüster bei der nächstgelegenen Tankstelle Biodiesel zu holen. Es stellt sich heraus, dass hierfür eine Stunde knapp bemessen ist. Vom teilweisen Joggen durchgeschwitzt Diesel gebunkert, Motor gestartet und losgefahren. Fünf Minuten später ist Brückenöffnung. Nach gemütlichen Motoren nach Kröslin, weil immer noch kein Wind ist, lassen mein Schwiegervater aus Lubmin und ich den Abend in der Taverne der Marina ausklingen.

Donnerstag, den 05.09.2013 Kröslin => Ruden

Am nächsten Tag führte mich mein erster Weg zum Bootsservice, denen ich mein Problem schilderte. Es würde sich wahrscheinlich um Bakterien handeln, die im Tank den Wasser- und Bioanteil des Diesels in schwarzen Glibber umwandeln – genannt „Dieselpest“. Durch die Wellen kann sich der Glibber vom Tankboden lösen und schwimmt frei, wodurch er dann wiederum angesaugt wird und alles verstopft. „Dies würde jetzt öfter vorkommen.“, sagte der Hafenwart. Weil der Mechaniker es nicht schaffte den Tank auszubauen, saugte er ihn aus - neuer Diesel rein und dazu ein präventives Additiv. Mittags ging es dann wieder los zumal endlich Wind war, der mir traumhafte Segelstunden und Rauschefahrt bescherte. Nachmittags legte ich im Hafen des Ruden an, die mir wiederum ein einzigartiges Naturerlebnis verschaffte.

Freitag, den 06.09.2013 Ruden => Swinemünde

Der Wind - soweit vorhanden – hat im Laufe der Reise gedreht und kam nunmehr aus SO und damit wieder einmal aus der Richtung in die ich wollte. Der Wetterbricht meldete Windstärke 4 bis 5 Bft, so dass ich vorsichtshalber bereits am Abend das 2. Reff eingebunden hatte.

Gegen 7 Uhr morgens ging es dann los. Mir war zwar bewusst, dass ich nach Swinemünde kreuzen musste - wie ja so oft im Heimatrevier -, mir war jedoch nicht klar, dass beim Kreuzen auf See auch die Wellen von vorne kommen. Wenn das Boot günstig zum Wind segelte, nahm es schnell 6 kn Rauschefahrt auf. Aber so kam ich ja leider nicht nach Swinemünde. Segeln gegenan stellte sich als sehr kräftezehrend heraus, zumal die Bewegungsfreiheit aufgrund des Seeganges sehr begrenzt war. So wurde das Anziehen des Ölzeugs zum wackeligen Kraftakt. Seekrank wurde ich zwar nicht wirklich, Lust zu essen habe ich aber auch nicht gehabt. Mein Segelboot Mira vermittelte mir hingegen ein ganz sicheres Gefühl. Egal ob sie frontal durch die Wellen schnitt oder mich seitlich doch mal eine Welle erwischte, sie blieb ziemlich stabil. Nach 8 Stunden und rund 8 Sm vor Swinemünde wollte ich die Zeit zum Hafen verkürzen und entschied ich mich den Rest zu motoren. Leider ging er wieder aus. Ich drehte das Boot bei und stellte fest, dass der Schlauch wieder verstopft war. Ein Durchstechen mit Draht blieb erfolglos und vom Pusten hatte ich bereits einen dicken Kopf. Was hätte ich jetzt für eine Luftpumpe gegeben! Weil ich unter Segel nicht in die Fahrrinne geraten wollte – zumal der Wind auch weniger wurde -, entschloss ich mich, ein anderes Segelboot in der Nähe anzusteuern. Es handelte sich um eine polnische Crew, die mittlerweile selber unter Motor auf dem Weg nach Swinemünde war. Sie warfen nach kurzen sprachlichen Schwierigkeiten eine Leine herüber und schleppten mich in die Marina von Swinemünde. Gegen 20 Uhr legten wir endlich an. Glück gehabt!

Samstag, den 07.09.2013 Swinemünde => Berlin

Am nächsten Tag vermittelte mir ein sehr netter Motorbootfahrer einen total flexiblen deutschen Mechaniker namens Rene Kusserow. Dieser stellte mir für Sonntag in Aussicht, einen Ersatztank zu installieren, damit ich zurück nach Berlin kommen könnte. Weil jedoch zusätzlich die Schleusenwärter ab Montag für eine Woche mit Streik drohten, entschied ich mich Mira in Swinemünde zu lassen und zwei Wochen später zurückzukehren. Also endete der Törn vorerst im Zug nach Berlin.

Rückfahrt 20.09.2013 bis 22.09.2013 Swinemünde => Stettin => Eberswalde => Berlin

Herr Kusserow hatte zwischenzeitlich meinen Tank ausgebaut und gereinigt. Trotz Absaugen in Kröslin sei noch eine dicke Schicht Glibber und Dreck im Tank gewesen.
Die Fahrt von Swinemünde nach Stettin zeichnete sich - leider wieder - dadurch aus, dass kein Wind war. So blieben die Segel unten und ich motorte mit Zwischenhalten in der Marina Goclaw (Stettin) und in Eberswalde (gegenüber des Betonwerks) nach Berlin.

Im Ganzen bin ich glücklich, mich getraut zu haben und stolz, einhand rund Usedom gefahren zu sein. Auch wenn Rasmus mich nicht mit Wind verwöhnte, war es für meinen ersten eigenen Törn besser, eher weniger als zu viel Wind zu haben. Aus meinem Pech mit der Dieselpest gehe ich auch gestärkt hervor. Ein Motorausfall ist für mich mehr denn je ein gegenwärtiges Risiko, das aber – wie erfahren - mitnichten zwangsläufig zum Seenotfall führt. Titelt doch die Zeitschrift „Segeln“ in ihrer Ausgabe 12/2013 mit Recht „Im Notfall: Segeln!“. Und auch der Bericht der Einhandseglerin Susanne Weidemann in der Yacht 25/26 2013, die ihren Törn trotz Motorausfall noch 800 Sm fortsetzte, inspiriert mich, das Anlegen unter Segel zu üben. Übrig bleiben tolle Erinnerungen und Erfahrungen und die große Lust auf den nächsten Törn. And last but not least möchte ich insbesondere meiner Frau Jana danken, die mich zu dieser Reise ermutigte und meinen Segelkameraden Thomas Rosche, Lothar Geier und Michael Karkutt, die mir mit Rat und Ausrüstung beiseite standen.

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