31. August 2018 bis 4. September 2018
Skipper: Inken Greisner & Markus Willkomm
SY: inkus (Sailhorse GER 2610)
5 Tage (130 sm)
Reiseroute: Lauterbach – Sassnitz – Vitt – Kloster – Lauterbach

2018: ein herrlicher Segelsommer und wir haben keine Zeit, oh jeh!

Ende August/Anfang September schieben wir uns eine gute Ferienwoche frei, das Boot am Haken fahren wir nach Lauterbach auf Rügen, mit 7 Bft ist es auf der Rügenbrücke schon ziemlich windig. Am Abend können wir das Boot noch slippen und segeln mit der Fock durch den Hafen zum Liegeplatz zwischen den Pfahlhäusern. Angekommen! Bis Freitag haben wir 4 Nächte in einer schönen Ferienwohnung gebucht. Am ersten Morgen „vermessen“ wir erst einmal den Greifswalder Bodden d.h. wir entnehmen für uns sinnvolle Wegepukte aus der Karte, markieren sie und geben die Koordinaten in unser Hand-GPS ein.

Durchwachsen das Wetter mit Wind und Regen (ja, gab es in diesem Sommer!) – wir „brettern“ mit leichtem Boot (ohne Gepäck) zwei Tage über den Greifswalder Bodden, gewöhnen uns wieder an Weite und Welle. Tagesausflüge nach Babe mit wirklich engem Fahrwasser (beim Rauskreuzen haben wir den Kiel im Sand geputzt) und anderntags nach Gager (gar nicht mehr schön: das Hafenlokal ist einer „gated“-Feriensiedlung gewichen, auch das Kojenhaus gibt es nicht mehr; aber wir bekommen zum Trost Fisch in der Bude auf der Hafenmole). Zwei herrliche Trainingstage, etwa 45 sm, 9 kn max, Surfen auf der Welle, liegen hinter uns – jetzt sind wir bereit für einen kleinen Inselsprint.

In Gedanken rechnen wir, ob wir es schaffen können – Abfahrt Freitag, 6 Reise-Tage – denn Donnerstag früh um 8 müssen wir in Berlin sein, mhm. Kritisch erscheint uns nur die erste Etappe: Lauterbach – Sassnitz, ohne Kreuz etwa 30 sm, etwas ausgesetzt, weil wir wegen der Untiefen und Steine mit Seeraum weit um den Thiessower Haken herum segeln müssen. Die Sache mit der Moral.

Am Abend treffen wir Klubkamerad Kai und Freund aus Berlin im Hafen, die beiden wollen am Freitagfrüh rüber nach Karlshagen/Usedom segeln, vielleicht sehen wir uns unterwegs.

Wir packen das Boot für den Törn und machen die Planung, geben Wegepunkte in unser Hand GPS ein. Ziel Sassnitz. Wir gucken „100 mal“ bei Windfinder nach: Lauterbach/Thiessow/Sassnitz. Prognosen für die nächsten Tage, eigene Meinung, Wettersysteme erkennbar? („vom vielen Wiegen wird das Schwein auch nicht fetter“) 4-6 Bft aus West, auffrischend. Der ganze Bodden schiebt da. Ausweichhafen Tiessow ist auch nicht ideal, erstens sind wir schon vorbei, wenn es „draußen“ heftig wird, wir müssten dann wieder aufkreuzen, um in das Thiessower Fahrwasser zu gelangen. Zweitens ist die Kreuz im engen Fahrwasser wieder raus sehr eng (ein Huckel gehört uns da schon). Einmal um die Ecke (Südperd) müßten wir im Lee der Insel eigentlich entspanntere Verhältnisse haben. Das ist machbar. Wir sammeln Mut, Navibrett – alles da, Karten sortiert, Reserve-Batterien fürs GPS in der Brusttasche, Trinkwasser griffbereit, alles sicher verstaut. Reff eingebunden. Wir legen ab – hilfreich, dass wir die Strecke (bis Tonne Gager) ja schon 2 x gesegelt sind.

Natürlich frischt es auf. Natürlich fühlt sich das nach mehr Wind an. Die Wellen werden länger und höher. Abzweig Thiessow vorbei. Wieder kein anderes Boot zu sehen. Wir werden immer schneller, laut GPS schon 12,5 Knoten (über Grund). Das Anrauschen der Wellen von achtern, genau aussteuern, damit das Boot nicht querschlägt. Sollen wir die Fock weg rollen? Aber die zieht uns durch die Welle, wir brauchen speed, sonst werden wir überrollt. Mir hilft die Erinnerung an ein Youtube-Video von einer 420er-Jollen-Regatta auf See mit ziemlicher Welle – die konnten das auch! Nerven bewahren. Gleich sind wir an der Kreuzung Böttchergrund, zwei Untiefentonnen, das GPS geht aus, kreuzendes Fahrwasser und 2 Entgegenkommer, wir müssen Halsen, Vorfahrt beachten, dann noch die Baggerschiffe direkt neben dem Fahrwasser. Die einzige Begegnung an dem Tag an der engsten Stelle. Wir fahren eine Q-Wende die Welle hinauf – ging ganz gut. Ich bin erleichtert, hatte in Gedanken schon Usedom im Visier – einfach rüber brettern ... Auf Halbwind rasen wir weiter – die Welle nimmt nur einen Moment ab und dreht! Gören, Sellin – an der Küste entlang Richtung Mukran oder kürzeste Strecke? Die steile Welle paßt doch gar nicht zum Wind. Wir segeln direkt über die weite Bucht, permanente Wellendusche, und legen erleichert, pitschnaß in Sassnitz an. Beim Hafenmeister sage ich noch, war doch windiger als vorhergesagt – ja sagt er, und vom Regen hatten sie auch nichts gesagt. Wir: welcher Regen?

Ein trockenes Zimmer oben auf dem Berg, im Kurhotel bekommen wir. Einen Trockenraum gibt es nicht, so schlafen wir erschöpft und zufrieden unter unseren Wäscheleinen.

2018 inkus 1

Samstag, 1. September: zweite Etappe, wir haben uns das Fischerdorf Vitt ausgeguckt, kurz vor dem Kap Arcona. Ein kleiner Steg ist verzeichnet, über google streetview habe ich den Steg gesehen, sieht super aus für unser kleines Boot. Endlich wieder freies Anlegen. Idylle. Auf den Karten (Papierkarte und open seemap) erscheint die Ansteuerung völlig unproblematisch. Westliche Winde, erst am kommenden Tag soll der Wind über Nord nach Ost drehen, bis dahin sind wir weg. Die letzten Meter vor dem Steg segeln wir „leise“ im Lee der Insel – undurchsichtige Pfosten, eine Leine quer gespannt, das Wasser klar, ist der Stein so nah? ich lege Pinne und wir schlängeln uns vorsichtig zum Steg, der keine Bodenbretter mehr hat. Der Fischer guckt interessiert, als wir am Geländer entlang an Land turnen: wie wir das gemacht hätten, da lägen doch überall Steine! Der Weg führe doch vom Pfosten, zum Seil ...

Wildromantisch hier. Morgen nehmen wir dann den beschriebene Weg. Kleine Inselerkundung und lecker Fisch am Hafen des pittoresken Fischerdorfes. Wir hatten das Boot quer zum Steg mit Achterleine zum Pfosten gelegt, inzwischen ist das Wasser etwas unruhiger, die Fischer setzen im Dunkeln mit ihrem offenen Boot zum Kutter über, der etwa 100 Meter vor der Küste ankert. Wir können nicht schlafen, es ist total unruhig, dreht der Wind schon früher? Nein, aber die Strömung kriecht schon ums Kap, wir legen das Boot nachts parallel zum Steg. Ablegen im Dunkeln (trotz Mond) ist auch keine gute Idee. Wir haben die Navi noch nicht gemacht. Im Morgengrauen packen wir schnell unsere Schlafsachen ein, Segelklamotten an, die Navi können wir an Bord nicht machen, so sehr schaukelt das Boot in den Wellen. An Land die Wegepunkte bestimmt und übertragen, und überprüft. 4-Augen-Prinzip. Einen Kaffee und Brote geschmiert, der Fischer besorgt – wir müßten ablegen, sonst kämen wir nicht mehr weg.

Das Bootszelt in aller Eile abgebaut und eingepackt, wir liegen inszwischen fast in der Brandung, auf Legerwall – so ein Mist. Zwischen den Steinen müssen wir genau zielen, wie ablegen, nur 20 Meter bis zum stein-befestigten Ufer. Boot an den Ableger-Pfosten verholt, Groß hoch gezogen. Paddel bereit gelegt. Soll ich den Anker klarieren? Zu nah das Land. Außerdem würde das die absolute Fokussierung stören. Wir haben nur eine Chance – wir brüllen gegen den Wind, zählen Wellen, suchen den Rhythmus zu erkennen, gucken uns an, die Wellen. Markus will nach der nächsten Welle Bug rumdrücken, nach achtern springen und paddeln wie verrückt. Ich muß abfallen, Groß dichter und Fahrt aufnehmen. Dann erst an der Fischerleine anluven weg vom Ufer. Einen Stein haben wir angetitscht, aber: geschafft!

2018 inkus 2

Der Wind hatte früher gedreht auf Ost, es war leichtsinnig von uns, an dem Steg zu übernachten. Auch die starke Strömung, die bereits hinter dem Kap einsetzt bevor der Wind herum kommt, hatten wir so nicht bedacht. Und dann die Steine – wir saßen wie in einer Falle. Es ist kein offizieller Anleger, daher auch nicht „ordentlich“ vermessen. Die Schweden sind mit ihren Karten und Angaben über Steine viel präziser. Erleichtert binden wir erstmal das Reff ein und kreuzen zum Kap Arcona hoch. Ordentliche Welle am Kap, auf Halbwind sind wir schnell – Dornbusch auf Hiddensee in Sicht, aber bis Kloster ist es noch weit. Wir fädeln uns ins Fahrwasser und setzen uns vor die Kopftruppe einer Hanse-Regatta, die aus Warnemünde herüber gesegelt kam.

Enges Fahrwasser, wir müssen abbiegen nach Kloster, von hinten das Regattafeld und die Fähre, wie beknackt liegen die Tonnen? Wie soll ich da einfädeln, Fahrwassertonne grünrotgrün geringelt, das paßt doch gar nicht. Rumms. Stimmt: paßt nicht. Wie ich die elefantengroße, grüne Tonne hinter der Fock nicht sehen konnte fragt Markus irritiert. Wir lassen die Fähre höflich vorbei und rutschen vom Flach. In Kloster ist der Hafen groß ausgebaut, wir waren 2006 hier (Argentinien-Deutschland. Elfmeterschießen beim Public-viewing auf dem Fischerboot im Hafen). 58 Hanse-Boote werden erwartet, wir sind klein genug und bekommen ein schönes Plätzchen zugewiesen. Die Sonne scheint, es ist warm, es ist Sommer und wir sind auf Hiddensee – wie schön! Am Abend mischen wir uns unter die Hanse-Segler, Regattapartys sind immer ähnlich, vertraut.

Erschöpft von diesem ereignisreichen Segeltag schlafen wir wie in Abrahams Schoß. Am Montagmorgen pfeift der Wind in den Wanten, die Sonne knallt vom Himmel. Wir haben noch 3 Tage – das muß gehen. Wir machen einen (inseligen) Inseltag – radeln nach Vitte, die Fahnen wie Bretter im Wind, Besteigung des Leuchturms, bunte Blumengärten, ach Emil Nolde. So fühlt sich ein Sommer-Ferien-Insel-Tag an!

Wir bereiten die Navigation für den Rest der Strecke vor, Wegepunkte über Stralsund, durch den Strelasund über den Greifswalder Bodden bis Lauterbach. Der Wind hat nachgelassen, 4-5 Bft aus NE, wir legen um 11.20 ab. Unter Spi im schmalen Hiddenseer Fahrwasser überholen wir flott und legen schon Stralsund an – das Fahrwasser führt verblüffend nah an der Stadt vorbei, die Ziegelgrabenbrücke öffnet erst in 40 Minuten – wir legen lieber kurz den Mast und paddeln durch. Marina Neuhof schon querab, herrliche Brise – wir segeln weiter durch den beschaulichen Strelasund, fast wie auf der heimischen Havel. Stahlbrode oder besser Glewitzer Fähre (als mögliche Übernachtungshäfen) kommen in Sicht, ich gucke auf dem Mobiltelefon bei Windfinder nach – oh, am morgigen Mittwoch soll der Wind abnehmen (lila...) aus Nord: gegen die Flaute und alte Welle ankreuzen – das könnte dauern.

Wir kennen den Hafen Lauterbach, haben noch Wasser und eine halbe Schachtel Schokokekse, und die Batterie fürs Rundumlicht ... aber die Sonne steht schon tief. Wir wollen auf den Bodden raussegeln und gucken, wie wir voran kommen, umkehren zur Glewitzer Fähre können wir dann immer noch.

Wir rüsten Kleidung auf, Keks und Wasser – dann geht es um die Ecke auf den gar nicht mehr so beschaulichen Bodden. Erstaunliche Welle aber diese herrliche Weite. Lange Schatten, kurze Wellen. Ist die Abdrift stark oder drückt die Welle uns runter – unser erster Wegepunkt auf dem Greifswalder Bodden scheint nicht näher zu kommen.

Wir wollen ankommen, ziehen durch. Längere Schatten, die Sonne geht ja schon um 20 Uhr unter, die Lichter am Hafen leuchten – dunkel ist es, als wir still durch den Hafen segeln und ein Plätzchen suchen. Geschafft! Das war ein Törn mit Steigerung – jeder Tag war anspruchsvoller: „Grenzen verschieben at it‘s best“

In 9 Stunden sind wir ca 50 sm von Kloster nach Lauterbach gesegelt, das ist für uns Streckenrekord.

Wir sind uns einig: das muß belohnt werden. Im naheliegenden Badhotel bekommen wir ein schönes Zimmer, die Küche bereitet uns noch ein Spätankommer-Essen – ja, so lieben wir das!

2018 inkus 3

Mittwoch haben wir jetzt alle Zeit zu slippen und gemütlich nach Berlin zurück zu fahren, Markus will unbedingt nochmal Fähre fahren. Machen wir: von Glewitz nach Stahlbrode. Das ist ein schöner Abschied von der Insel Rügen – aber die Häfen Glewitz oder Stahlbrode werden wir wohl mit unserem Boot nicht anlaufen.

Die Moral von der Geschichte?

  • • Wellen und Wind passen beim Segeln um Inseln leider nicht oft zusammen
  • • Es war leichtsinnig am Kap Arcona am Steg zu übernachten, bei zu erwartendem Winddreher
  • • Seekarten sind nur in den Bereichen genau, die auch von anderen besegelt werden
  • • Ruhe und Nerven bewahren. Vertrauen.
  • • Fokussieren! Den gewünschten Ablauf visualisieren
  • • Es ist und bleibt herrlich, gemeinsam auf unserem Sportboot zu touren!

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